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Mit den Ergebnissen des Humangenomprojekts
und der darauf aufbauenden molekularbiologischen Forschung sind immer
mehr und genauere Kenntnisse über die Struktur und Funktion des menschlichen
Erbmaterials verfügbar. Eine Schlüsselrolle dürfte dabei
der genetischen Diagnostik zukommen – ein Sammelbegriff, der unterschiedliche
Analyseformen zusammenfasst, die von individuellen Tests bis hin zu genetischen
Massenscreenings reichen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie auf molekulargenetischer
Grundlage arbeiten und prädiktive, d.h. voraussagende Informationen
über zukünftige Krankheiten bzw. Krankheitsveranlagungen liefern.
In dem Beitrag wird die These vertreten, dass die »gesellschaftliche
Sprengkraft genetischer Information« (Dorothy Nelkin) eher in der
Konstruktion genetischer Risiken bzw. »Dispositionen« als
in der Feststellung eines genetischen Determinismus liegt. Statt kollektives
Schicksal zu sein, werden die Gene heute immer mehr unter der Perspektive
individueller Potenziale betrachtet, sie sind weniger Bestandteil einer
biologischen Vererbung als Element von sozialen Strategien, die auf eine
Optimierung des persönlichen Humankapitals und der subjektiven »Lebensqualität«
zielen. Auch und gerade genetische Dispositionen werden zum Gegenstand
von Handlungsoptionen und Entscheidungszumutungen gemacht, sie sind weniger
passiv hinzunehmen, sondern sollen über Einwirkungen auf Lebensstil,
Gesundheitsverhalten, Ernährungsgewohnheiten etc. aktiv gesteuert
werden.
Die These einer »Regierung genetischer Risiken« greift theoretisch
auf das Foucaultsche Konzept der Gouvernementalität zurück,
um anhand dreier zentraler Untersuchungsdimensionen einige Facetten einer
»genetischen Gouvernementalität« aufzuzeigen. Die »Genetifizierung«
der Gesellschaft wird dabei unter der Perspektive von Wahrheitsprogrammen,
Machtstrategien und Selbsttechnologien betrachtet und der Frage nachgegangen,
ob sich bereits Konturen einer »genetischen Verantwortung«
abzeichnen, die sich als Forderung nach einem risikominimierenden und
»vernünftigen« Umgang mit diagnostizierten Risiken materialisiert.
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